Lebenswerte Schweiz

Leserbriefe




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Mein erster Leserbrief 1973:

Holocaust und die Deutschen

Was mich bei der Ausstrahlung des 1. Teils von «Holocaust» erschreckt hat, war der Ausspruch meiner Schwester anlässlich des Synagogenbrands, die hämisch grinsenden Gesichter der deutschen Soldaten betrachtend: «Mit denen allen sollte man das Gleiche tun» und «mit denen allen» das gesamte Deutsche Volk meinend. Hat man den Jungen und hat man selber in den 34 Jahren seit Kriegsende nichts anderes gelehrt oder gelernt als Hass und Rache? Dann braucht man die drei restlichen Sendungen von Holocaust nicht mehr zu zeigen, denn Hass schüren will dieser Film bestimmt nicht, tut es aber in grossem Masse. Nun kann man, anstatt S..jude, S..schwabe schreien und damit meinen, ein grosses Stück weitergekommen zu sein, dabei ist wie bei der Blutrache nur die andere Partei jetzt am Zug.
Es erschreckt mich immer wieder, wie viele Menschen eine totale Antipathie gegen die Deutschen entwickelt haben und komplett antideutsch eingestellt sind. Man assoziiert zu schnell all die schrecklichen Vorkommnisse des zweiten Weltkrieges mit dem Deutschen Volk und ist nur zu gern bereit, die Deutschen als Sündenböcke schlechthin hinzustellen. «Bei uns hätte das nicht passieren können» ist ein beliebter Ausdruck vieler Schweizerbürger. Doch es hätte passieren können! Solange es Leute gibt, die sich vom Fanatismus einer Gruppe gedankenlos mitreissen lassen (und von denen gibt es erschreckend viele), wird es auch potentielle Anwärter auf eine Terrorherrschaft à la Hitler geben. Vielleicht werden dann nicht die Juden vergast, sondern die Deutschen, dieses stolze, hochmütige Volk mit der harten Sprache, dem viele Bewohner Europas das heutige wiederaufgebaute Deutschland missgönnen, diesem Volk von Judenmördern. Die Judenverfolgung hat auch mit Neid angefangen, ist mit Hass weitergefahren und hat im Konzentrationslager ihr Ende gefunden.
Sehen wir die ganze Sache einmal so an: Nicht Deutsche haben die Juden vergast, sondern in erster Linie Menschen. Und Menschen sind wir alle und somit direkt Betroffene. Wir haben darüber nachzudenken wie der Homo sapiens In Zukunft solche Grausamkeiten verhindern kann. Leider haben wir bis jetzt die Lösung noch nicht gefunden, wenn man nur an Vietnam, Kambodscha, Folterkammern und Idi Amin denkt.
Berner Zeitung, 28. Mai 1979